Die Anreise- und Fährengeschichte

oder

"so etwas kann es doch nicht geben"

Stand 20. November 2009

von Klaus Kredel


Lange haben wir überlegt, ob wir diese unglaubliche "Fährengeschichte" gleich nach der Rückkehr aus Norwegen von uns geben sollten. Nein, besser wir heben sie uns für die Zeit nach der RR-Saison auf, so dass wir auch noch in den Wintermonaten etwas von unserer tollen VikingTour zu erzählen haben. Und die anderen etwas lachen können ob unseres seltsamen Missgeschickes.

Um den gesamten Umfang dieser außerordentlichen Anreise besser verstehen zu können, muß etwas weiter ausgeholt werden.
Wir, Horst, Peter und ich, planten also, an der
Vikingtour 2009 (18. - 24. Juli) in Norwegen teilnehmen zu wollen. Im Vorfeld bot ich als Transportmöglichkeit meinen Sharan an, der leicht drei Personen, drei Fahrräder und drei dicke TransAlp-Taschen transportieren konnte - nebst sonstigen Kleinigkeiten wie Proviant usw., die auf solch eine Reise einfach mit müssen.
Nein, so hieß es, Horst´s Renault-Kombi Diesel braucht weniger Treibstoff, und die Sachen gehen auch alle rein. "Haben wir schon gemacht", so wurde ich beschieden. Na ja, wenn die Herrschaften meinen, - ich will mich ja nicht aufdrängen. Also habe ich beim ADAC den entsprechenden Fährtransport von Hirtshals/Dänemark nach Larvik/Norwegen (Colorline) gebucht für uns drei sowie für ein Fahrzeug mit Länge X und
Höhe Y. Muß ja alles vorher genauestens angegeben werden, damit beim Laden der Fähre die Logistik nicht durcheinander gerät.
Der Tag der Abreise naht. Man verbleibt so, dass ich um 4 Uhr - also eigentlich schon vor dem Aufstehen - bei mir abgeholt werde. Horst holt Peter ab, man lädt das Vorhandene und kommt dann zu mir, um alles für die lange Anreise gut und sicher zu verstauen - so der Plan.
Die beiden kamen nicht um 4:00 Uhr, nicht um 4:10 Uhr, auch nicht um 4:20 Uhr. Nun ja, Peter ist dabei, der musste sicher noch seinen Tee in aller Ruhe trinken oder zwischen Obertshausen und Hainhausen eine kleine Pinkelpause einlegen. Vielleicht auch dem Horst noch etwas von seinem neuesten Whisky erzählen.
Um 4:30 Uhr kamen sie dann endlich - ich war beruhigt.
Das Fahrzeug aber hatte Treibstoff fressende Dachträger drauf, ich sah es sofort und war etwas verwundert. Und sogleich nach der nächtlichen Begrüßung eröffnete man mir, dass es doch wohl etwas eng sei und man nicht umhin komme, mehr als ein Rad auf´s Dach packen zu müsse
n. Die Träger habe man halt heute in der Frühe noch schnell gesucht und montiert.
Jetzt wurde ich aber etwas sauer, hatte seinerzeit mein Fahrzeug angeboten, alles im Trockenen zu transportieren und nun vielleicht auch noch mein Fahrrad auf dem Dach ?!. Ein klares NEIN dazu! Die Herren lenkten ein, packten ihre Räder auf das Dach, meines wurde um die Laufräder kleiner gemacht und innen mit den anderen Gepäckstücken verstaut. Los ging es, jeder mal als Fahrzeuglenker und mit großen Zeitreserven in Richtung Norden
(ca. 1.000 km).
In Hirtshals wurde dann kurz noch etwas gegessen, wir hatten ja schließlich aufgrund von "freier Fahrt" ein riesiges Zeitpolster angesammelt, die Fähre sollte erst gegen 22:15 Uhr die Leinen losmachen.
Im Fährhafen ging´s dann aber heftig los. Brav zeigten wir unsere Tickets, aber die Damen am Schalter hatten aufgepasst und wollten uns nicht passieren lassen. "Das Fahrzeug ist mit den Rädern auf dem Dach zu hoch, da müssen sie noch etwas draufzahlen". Schei..., wer braucht denn das, hat uns gerade noch gefehlt. Wir entschlossen uns, die Räder zu demontieren, die hinteren Lehnen im Fahrzeug umzulegen, und die beiden Böcke mit zu meinem ins Fahrzeug zu legen.
Pech nur für Peter, der war ab sofort aus dem Fahrzeug ausgesperrt, denn zu dritt war das Sitzen in der ersten Reihe jetzt nicht mehr möglich. Alsdann wurden wir von freundlichen Helfern in die langen Fahrzeugwarteschlangen eingewunken, Peter folgte uns flotten Schrittes nach.
Immer noch hatten wir viel viel Zeit und vertrieben uns diese mit "Spazierenschauen" sowie Gesprächen mit anderen Teilnehmern der
Vikingtour, die auch die Fährenroute gewählt hatten.
Eine große Fähre der Colorline, unserer Fährgesellschaft, lag am Pier, die ersten Fahrzeuge aus zwei anderen Warteschlangen wurden auf das Schiff gewunken. Ich sagte zu Peter, er könne ja auch schon auf den Kahn gehen und die besten Plätze erkunden. Gesagt - getan, Peter machte sich auf den Weg auf und in die Fähre. Horst und ich saßen im Auto, dort war es doch gemütlicher. Die Fähre lag parallel zu unserer Warteschlange.
Urplötzlich nahm ich aus dem rechten Augenwinkel wahr, wie sich besagte Fähre rückwärts bewegte. Es riss mich vom Sitz, wie kann das sein, wir stehen doch noch alle hier in der Schlange. Sicherlich wendet die Fähre nur, dann können wir auffahren. Nichts da, die Bugklappe senkte sich, der Pott hatte wirklich komplett gedreht, nahm Fahrt auf und verschwand aus dem Hafen.
Große Bestürzung bei Horst und mir, aber außer Lachen konnten wir fürs Erste nichts machen. Peter tat uns leid. Ein wenig zumindest. Wir hatten ja das Auto und somit eine sicherere Möglichkeit, zum Radeln nach Beitostolen zu gelangen.
..und ein Erstatzrad obendrein, etwas klein, aber immerhin.
Als sich Schreck und Verwunderung gelegt hatten, hetzte ich dann ins Hafengebäude und fragte, wo diese Fähre hinfährt. Ja, so hieß es, die fährt nach Kristiansand, knapp 200 km südwestlich von Larvik. Pouh, also war das gar nicht unsere Fähre nach Larvik, wie sollten wir das wissen. Und wie ich so in der 3. oder 4. Etage dieses Gebäudes aus dem Fenster sehe, kommt aus der Ferne ein Schiff daher, es sollte unsere verspätet ankommende Fähre nach Larvik sein.
Was nun, wie kommen wir wieder zu Peter, wie Peter zu uns ? Nichts als Fragen.
Ich bat die Schalterdamen der Colorline, auf der Kristiansand-Fähre anzurufen und einem gewissen Peter Dybeck ausrichten zu lassen, dass er auf alle Fälle dort in K. bleiben solle, wir würden ihn abholen. Wann auch immer !!!! Ging auch nicht anders, sein Handy und Geldbeutel lagen ja bei uns im Auto. Man beruhigte mich noch und teilte mir mit, dass die ganze Sache ein Gutes und ein Schlechtes habe. A) man werde ihn keinesfalls über Bord werfen, aber B) der Kahn werde wegen Herrn D. auch nicht umdrehen.
Wir sind dann später auf "unsere" und somit richtige Fähre gefahren, haben uns dösend die Zeit um die Ohren geschlagen (knapp 4 Stunden) und waren tief in der Nacht in Larvik. Dank eines gut funktionierenden TomTom ging´s aus dem schlecht beschilderten und tiefschwarzen L. in Richtung Kristiansand. Immer brav die kurvige Küstenstraße entlang, gut 200 km und alles bei vielen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 100 bis 60 kmh. Kein Blitzer hat uns erwischt, scheinbar sind wir doch anständig gefahren.
Endlich wurde die Ortsgrenze von Kristiansand erreicht, dank Navi sind wir ganz schnell im Hafen angelangt - und wer springt uns da schon gestikulierend entgegen, das müde kleine Peterlein. Uhrzeit: so gegen 6:00 Uhr morgens.
Wir waren froh, den dritten Mann so schnell wieder aufgetan zu haben und hörten uns seine Geschichte an. Es stellte sich heraus, dass ihn irgendein Oberschluri (bayerisch: ein Billettelzwicker) von der Colorline beim Erfassen der BoardingCard mittels Scanner einfach durchgewunken hatte. Durchwinken heißt richtiges Schiff, also auch kein Fehler bei Peter zu sehen. Und in K. hatte er mit einem vagabundenähnlichen Typen im Hafengebäude auf harter Bank genächtigt und seinen Schlaf gesucht.
Und zu Peters Rettung sei noch erwähnt, dass auch auf unserer Fähre nirgends ein Anschlag oder Hinweis angebracht war, welches Ziel der Pott anzusteuern gedachte.

Nun hatten wir aber, um nach Beitostolen, dem Startort der
VikingTour zu gelangen, nicht nur unsere geplanten um die 280 km zu fahren, sondern zusätzlich auch noch die 200 km von K. zurück nach Larvik. ...und uns die Nacht bereits um die Ohren geschlagen. Irgendwo unterwegs hielten wir mal an, um etwas zu essen und uns die Füße zu vertreten und die Fahrer zu wechseln. Nach der zweiten Wechselrunde wurde es ungemütlich. Peter fuhr übermüdet bobbahngleich im ZickZack in der Fahrspur und mußte ausgewechselt werden. Horst übernahm. Später dann fuhr dieser nach dem Ende einer 70er Baustelle immer langsamer und blieb schließlich in einem Kreisel stehen und wusste nichts mehr, konnte sich überhaupt nicht mehr konzentrieren, war total übermüdet und fertig. Na gut, dachte ich, dann bist du der einzig "Wache" hier und fährst jetzt mit den beiden bis nach Beitostolen durch.
Hätte auch fast hingehauen, aber…...
ca. 20 km vor dem Ziel haut mir dann Horst als mein wachsamer Beifahrer auf´s Knie und ruft ganz laut "Klaus". Und schon höre ich, wie Gras von unten gegen das Auto wutscht und auch ein kleines Stück Holz oder ähnliches rumpelt - und eigentlich sah ich überhaupt keine Straße mehr, nur noch Gras. Was war geschehen ? Wollte ich doch allem Anschein nach in einer ganz seichten Linkskurve geradeaus fahren, das wäre uns aber ganz schlecht bekommen. Wenigstens gab es dort keine Leitplanken und keinen Graben. Also sanft am Lenkrad gedreht und wieder auf den rechten Weg gelangt. Ob ich nun nur etwas zu weit ausgeholt hatte oder aber in den Sekundenschlaf gefallen war, wer weiß. Wahrscheinlich oder ganz sicherlich letzteres, denn ich war ja vorher auch nicht mit mehr Schlaf gesegnet gewesen als meine zwei armen Mitstreiter. Wären wir also beinahe ganz hässlich in ein norwegisches Seitenaus geraten, ohne auch nur einen Kilometer mit dem Rad gefahren zu sein. Welch eine Schande! Darum heute nochmals meine Entschuldigung, dass ich Glaubens war, weniger müde zu sein als die beiden. Nach diesem leichten Ausritt war ich aber wieder hellstwach für die letzten Kilometer, das kann der Leser annehmen.
Letztendlich sind wir dann doch noch am späten Vormittag des 17. Juli, einem Freitag, in Beitostolen angekommen - allerdings ganz schön mitgenommen.
(im Hessischen sagt man dazu: fix unn feddisch!)
Ich glaube, wir haben noch nie in einer Turnhalle im Schlafsack und auf "Selfinflating"-Matten so gut geschlafen wie damals. Und standen dann am Samstag gegen Mittag ausgeschlafen bereit, uns auf die erste der sieben Radetappen zu begeben.

Rückfahrmäßig nahmen wir am Samstag, 25. Juli, die 17:30 Uhr - Fähre, konnten also morgens normal schlafen und frühstücken. Und kein Fährmensch hat bemerkt, daß wir zwei Fahrräder auf dem Dachgepäckträger montiert hatten. Frechheit siegt! Und wir wollten Peter nicht noch einmal verlieren. Anschließend in anstrengender Nachtfahrt von Hirtshals nach Rodgau in einem Rutsch bei ständigem Fahrerwechsel gegen 5:00 Uhr morgens angekommen. Dennoch ein Schlauch und total übermüdete "Männers".

Fazit: Gerne irgendwann mal wieder, aber mit vernünftigerer Hin- und Rückreiseterminierung. Die Hatz bringt nichts und ein Aufwachen im Graben kann fatale Folgen haben. Wenn man überhaupt noch aufwacht. Aber man kann nicht alt genug sein, als dass man immer noch dazu lernt - hoffentlich.

Ich hatte stark mit meinem Ischias zu kämpfen, es zog vom rechten unteren Kreuz bis in die Fußspitzen, sodaß ich rechtsseitig keine volle Last fahren konnte. Nach der 3 Nacht hat dann auch noch meine selbstaufblasende Schlafmatte den Geist aufgegeben. Als Resultat beider Dinge war ich morgens immer wunderbar ausgeschlafen und 200 % fit - wie sich jeder denken kann. Und dann noch die nasskalte Witterung, ein genialer Radurlaub. Aber: es war dennoch schön, und wer hat schon die Gelegenheit, mit dem Fahrrad durch einen 24,5 km langen Autotunnel fahren zu dürfen.

Und noch etwas: mit Horst und Peter immer wieder, auch wenn letzterer ein begnadeter Schnarcher ist. Im Moment unterhält er sich noch mit dir, d.h. er erzählt, du hörst zu, um dann von jetzt auf gleich und mitten im Satz in ein gleichmäßiges Schnarchen zu fallen.

Klaus, im November 2009